Es gibt etwas, das wahrgenommen wird.

Anstatt „esse est percipio“ mit „Sein ist das, was wahrgenommen wird“ wieder zu geben, habe ich mich fuer die in der Ueberschrift stehende Formulierung entschieden. Ich folge damit sowohl meinem Beduerfnis als auch der Anregung Berkeleys, Woerter und Sprechweisen zu aktualisieren, d. h. sie jeweils so zu waehlen, dass sie meinen Vorstellungen entsprechen. Berkeley hielt es fuer noetig, seinen Sprachgebrauch zu reflektieren. „Da man dem Einfluss von Woertern auf eigene Sichten staendig ausgesetzt ist, egal um welche Vorstellungen es sich dabei handelt, bemuehe ich mich, meine Vorstellungen nackt und blosz zu betrachten, und jene Namen aus meinem Denken zu verbannen, die durch langen und konstanten Gebrauch fest mit bestimmten Vorstellungen verbunden sind.“ (Principles of Human Knowledge, Introduction XXI.) Diese Zurueckhaltung koennte Berkeley fuer „esse est percipio“ auch im Blick gehabt haben. „esse“ ist philosophisch mit Vorstellungen verbunden, die seit Jahrhunderten und Jahrtausenden die Sicht auf moegliche andere Vorstellungen verstellten. Es gibt eine Grundbedeutung von „esse“ – darauf beschraenke ich mich im Moment -, die heiszt ‚vorhanden sein‘. Im Sinne dieser Grundbedeutung notierte ich: „es gibt etwas“. Dies scheint mir fuer den Jargon eines philosophischen Blogs noch angemessener. Es macht m. E. deutlich, dass Berkeley hier nicht vom „Sein“ in einem metaphysischen Sinne spricht und so moeglicherweise im Auge hatte, ontologische Probleme aus Jahrhunderten zu eroertern oder gar seine eigene Ontologie zu entwickeln. Nichts aber liegt ihm ferner.

Berkeley beschraenkte sich auf die Bezeichnung ‚Vorstellung‘ (‚idea‘), wenn er behauptete, es gibt etwas, das wahrgenommen wird.  Vorstellungen werden laut Berkeley zum einen von den Sinnen erzeugt und sie sind zum anderen Produkte unserer Erinnerung und unserer Fantasie. Als Produkte der Sinne sind sie „lebhafter, klarer und staerker, als die Produkte unserer Erinnerung und Fantasie. Sie sind dauerhafter, folgen bestimmten Mustern und sind miteinander verbunden.“ (Principles of Human Knowledge, 30)

Ich nenne ‚Vorstellungen‘ die ‚wirklichen Dinge‘ desjenigen, von dem sie wahrgenommen werden. „Ich bejahe das Vorhandensein jedes Dinges, das ich durch die Sinne oder durch Reflektieren mit einbeziehen kann. Ich stelle nicht in Frage, was ich mit meinen Augen sehe und mit meinen Haenden beruehre. Das, was ich negiere, ist das, was Philosophen ‚Materie‘ oder ‚koerperliche Substanz‘ nennen.“   (Principles of Human Knowledge, 35) Dies duerfte wieder seinem Wunsch entsprechen, sich den verwirrenden Mitbedeutungen von Woertern zu entziehen und stattdessen auf das hinzuweisen, was wahrgenommen werden kann und so vorhanden ist. Er lehnt es ab, statt ‚Vorstellungen‘ ‚Dinge‘ zu sagen, auch wenn er das Wort ‚Ding‘ – wie hier – selber verwendet. „Wie es kommt, dass ich lieber das Wort ‚Vorstellung‘ verwende, anstatt der alltaeglichen Sprechweise zu folgen und wahrnehmbare Kombinationen von Eigenschaften ‚Dinge‘ zu nennen? Dafuer gibt es zwei Gruende: Zum einen wird mit dem Ausdruck ‚Ding‘ im Unterschied zu ‚Vorstellung‘ im Allgemeinen unterstellt, dass das Bezeichnete auszerhalb von mir vorhanden ist. Zum anderen hat das Wort ‚Ding‘ weitergehende Mitbedeutungen als ‚Vorstellung‘. Es wird auf den Koerper erhaltende Lebensgeister oder denkende Dinge genauso wie auf ‚Vorstellungen‘ angewendet. Da aber die Sinnesobjekte nur in mir selber vorhanden sind und weder denken noch sonst aktiv sind, moechte ich sie mit dem Wort ‚Vorstellung‘ kennzeichnen, weil damit die entsprechenden Eigenschaften mit gemeint sind.“ (Principles of Human Knowledge, 39)